Das Lieferkettenmanagement, auch Supply Chain Management oder kurz SCM genannt, ist eine wesentliche Funktion in modernen ERP-Systemen und umfasst die Planung, Steuerung und Kontrolle sämtlicher Prozesse entlang der Wertschöpfungskette – vom Einkauf über die Lagerhaltung bis hin zum Verkauf und der Distribution.
In einem mittelständischen Handels- und Dienstleistungsunternehmen, das im B2B-Bereich tätig ist, sind die Abläufe im Lieferkettenmanagement entscheidend für den Unternehmenserfolg, da sie die Effizienz der Warenbeschaffung, die Lieferbereitschaft und den Servicegrad gegenüber den Kunden beeinflussen.
Ein leistungsfähiges ERP-System bietet umfassende Funktionen zur Unterstützung des Lieferkettenmanagements, die speziell darauf ausgelegt sind, Transparenz zu schaffen, Prozesse zu automatisieren und die Effizienz entlang der Lieferkette zu steigern. Im Folgenden wird erläutert, wie die verschiedenen Module – Einkauf, Verkauf und Lager – im Zusammenspiel zur Optimierung des Supply Chain Managements beitragen können.
Lieferkettenmanagement im Kontext eines ERP-Systems bedeutet die nahtlose Integration aller Prozesse, die mit der Versorgung und Distribution von Waren zusammenhängen. Dazu gehören der Belegfluss in Einkauf und Verkauf, die Lagerverwaltung, die Bestandsoptimierung sowie die logistischen Prozesse. Im Fokus steht hierbei, den Servicegrad für den Kunden zu maximieren, die Lieferfähigkeit sicherzustellen und gleichzeitig die Lagerkosten und das gebundene Kapital zu reduzieren.
Verkauf: Auftragserfassung, Kommissionierung , Lieferung, Rechnung
Ein effizientes Lieferkettenmanagement beginnt bereits bei der Auftragserfassung und dem Belegfluss. Verkaufsaufträge werden entweder manuell oder automatisiert angelegt und sind Grundlage für nachfolgende Prozesse wie die Bestätigung an den Kunden, die Kommissionierung im Lager und den Versand. Auftragsbestätigungen, Lieferavise und Rechnungen können entweder per E-Mail oder über EDI (Electronic Data Interchange) verschickt werden, was eine schnelle und medienbruchfreie Kommunikation mit den Kunden sicherstellt.
Ein Beispiel: Ein mittelständisches Handelsunternehmen, das Maschinenbauteile vertreibt, erhält eine Bestellung von einem Kunden, der die Ware in zwei Wochen benötigt. Der Verkaufsauftrag wird im ERP-System erfasst, und die Verfügbarkeit der Ware wird überprüft. Sollte die Ware im Lager vorrätig sein, kann die Auftragsbestätigung unmittelbar versendet werden. Ist die Ware hingegen nicht verfügbar, wird die Einkaufsdisposition aktiviert, um die Ware entweder nachzubestellen oder per Direktlieferung (Streckengeschäft) direkt vom Lieferanten an den Kunden zu versenden.
Ein wesentlicher Bestandteil des Lieferkettenmanagements ist die effiziente Lagerverwaltung mit Funktionen wie Bestandsführung, Verfügbarkeitsprüfung und Artikelkategorisierung. Um das gebundene Kapital im Lager zu minimieren, können Artikel anhand der ABC-Analyse klassifiziert werden. Diese Kategorisierung hilft dabei, die Lagerhaltung zu optimieren, indem Artikel, die häufig benötigt werden (A-Artikel), stets verfügbar gehalten werden, während weniger gefragte Artikel (C-Artikel) in geringeren Mengen vorrätig sind.
Die Einkaufsdisposition ermöglicht, Bestellvorschläge zu generieren. Diese basieren auf vordefinierten Dispositionseinstellungen im Artikelstamm, wie beispielsweise dem Meldebestand oder der Wiederbeschaffungszeit. Bei der Bestellung von lagergeführter Ware wird ein Vorschlag erstellt, der auf den aktuellen Beständen, Verkaufsaufträgen und Wiederbeschaffungszeiten basiert. Gleichzeitig können für spezielle Kundenanforderungen Spezialaufträge angelegt werden, die eventuell sogar Beistellware vom Kunden umfassen.
Der Einkauf spielt eine entscheidende Rolle im Lieferkettenmanagement. Im Einkaufsmodul der ERP-Software können Bestellungen effizient verwaltet und der gesamte Bestellprozess abgebildet werden. Sobald Verkaufsaufträge eingegangen sind und die Verfügbarkeit geprüft wurde, können Bestellungen bei Lieferanten ausgelöst werden. Dabei bietet das System die Möglichkeit, Bestellungen automatisch auf Basis von Bestellvorschlägen oder manuell zu erstellen.
Ein weiterer Vorteil einer ERP-Software ist die Möglichkeit, Lieferantenbewertungen zu erstellen und Lieferanten hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit, Preisgestaltung und Qualität zu bewerten. Dies unterstützt das Unternehmen dabei, seine Einkaufsprozesse zu optimieren und langfristig mit leistungsstarken Lieferanten zusammenzuarbeiten.
Besonders im Import- und Exportgeschäft spielt die Berücksichtigung von Lieferzeiten eine große Rolle. Hier können Lieferzeiten sowohl beim Lieferanten als auch beim Transporteur berücksichtigt und in den Einkaufsprozess integriert werden, sodass eine rechtzeitige Verfügbarkeit der Waren gewährleistet ist.
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Lieferkettenmanagements ist die Distribution der Ware an die Kunden. In einer leistungsfähigen ERP-Software können Teillieferungen und Komplettlieferungen von Verkaufsaufträgen unterschieden werden. Teillieferungen sind besonders bei größeren Aufträgen oder bei Aufträgen mit unterschiedlich verfügbaren Artikeln sinnvoll, um die Waren so schnell wie möglich an den Kunden zu liefern. Das System ermöglicht es, Kundenanforderungen hinsichtlich der Lieferung, wie z. B. bestimmte Liefertermine oder die bevorzugte Art der Lieferung, zu berücksichtigen.
Unternehmen mit mehreren Standorten profitieren von der Möglichkeit, Umlagerungsaufträge zu erstellen, um Ware zwischen verschiedenen Lagern zu verschieben. Dies ist insbesondere dann von Vorteil, wenn bestimmte Artikel nur an einem Standort verfügbar sind, aber an einem anderen Standort benötigt werden. Hier können Versandkosten gegen Lagerkosten abgewogen werden, um die effizienteste Lösung zu finden.
Die Qualitätskontrolle spielt eine zentrale Rolle, um sicherzustellen, dass die gelieferten Waren den Erwartungen entsprechen. In der ERP-Software können Qualitätsprüfungen in den Einkaufs- und Verkaufsprozessen integriert werden. Dies ist besonders im Handel mit technischen Produkten oder spezialisierten Dienstleistungen wichtig, wo Qualität eine entscheidende Rolle für die Kundenzufriedenheit spielt.
Darüber hinaus unterstützt das System die Bewertung von Lieferanten und Speditionen. Basierend auf Kriterien wie Pünktlichkeit, Qualität und Preis-Leistungs-Verhältnis können Lieferanten systematisch bewertet und für zukünftige Bestellungen berücksichtigt werden. Dies schafft Transparenz und fördert langfristig stabile Geschäftsbeziehungen.
Integration des Lieferkettenmanagements mit Finanzbuchhaltung und Controlling
Eine der Stärken einer ERP-Software ist die tiefe Integration der Finanzbuchhaltung und des Controllings in alle Lieferkettenprozesse. Die Kosten für Beschaffung, Lagerung und Distribution werden in Echtzeit in der Finanzbuchhaltung erfasst und können auf einzelne Kostenstellen und Kostenträger zugeordnet werden. Dies ermöglicht eine exakte Kontrolle über die Lagerkosten, die Beschaffungskosten und die Umsatzkosten.
Alle relevanten Kennzahlen stehen dem Controlling zur Verfügung, um die Wirtschaftlichkeit der Lieferkette zu analysieren und zu optimieren.
Basierend auf den beschriebenen Funktionen und Vorteilen ergeben sich klare Empfehlungen für die organisatorische Integration der Module Debitoren & Verkauf, Artikel & Lager, Kreditoren & Einkauf sowie Finanzbuchhaltung.
Zentrale Steuerung des Belegflusses: Durch die Integration von Verkauf, Einkauf und Lager werden alle relevanten Prozesse in einem System abgebildet, was die Transparenz erhöht und Doppelbuchungen vermeidet.
Optimierung der Lagerhaltung: Die Einführung von Bestellvorschlägen, die ABC-Kategorisierung von Artikeln und die Optimierung der Bestandsführung helfen, das gebundene Kapital zu reduzieren und die Verfügbarkeit wichtiger Artikel sicherzustellen.
Effiziente Distribution: Unternehmen mit mehreren Standorten sollten Umlagerungsprozesse und Versandkosten genau überwachen, um eine optimale Verteilung der Ware zu gewährleisten.
Stärkung der Lieferantenbeziehungen: Die regelmäßige Bewertung von Lieferanten hinsichtlich Qualität, Zuverlässigkeit und Kosten schafft langfristige Partnerschaften und optimiert den Einkaufsprozess.
Transparenz im Controlling: Die vollständige Integration von Lieferkettenprozessen in die Finanzbuchhaltung und das Controlling ermöglicht eine fundierte Analyse der Wirtschaftlichkeit und eine kontinuierliche Optimierung.